DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

In manchen Säcken ist mehr drin, als man vermutet.

Ich besprach die Sache sehr ernsthaft mit meiner guten Frau. Wir hatten hier einen schönen Besitz und Freunde im ganzen Reich und auch außerhalb seiner Grenzen. Wir hatten aber auch zwei Söhne.

Meine gute Frau hatte beim letzten Besuch den Eindruck gewonnen, den kleinen Alexander strenge der Militärdienst doch sehr an. Und unser Ältester mit seinen mehr geistigen Interessen brauche später auch einmal einen soliden wirtschaftlichen Hintergrund.

Ich wußte mehr als sie. Mein Ältester hatte kürzlich aus einem simplen Spruch eine so schöne Summe herausgeschlagen, daß er mir ein gewisses privates Darlehen vollständig zurückzahlen konnte. Ohne Zinsen, versteht sich.

Also nickte ich bekümmert und ließ mich erweichen. Für die Zeit meiner Abwesenheit würde ein lieber Neffe meiner Frau in der Gastwirtschaft aushelfen. Na ja, viel Glück dazu.

Ich begann, mich mit der Frage meiner Ausrüstung zu beschäftigen. Für solch ein Unternehmen wollte ich mehr mitnehmen als nur mein Hämmerchen. Ich stand gerade in der Schmiede und hielt zweifelnd ein altes Kettenhemd in die Höhe, als draußen der Ruf "Holzkohle, gute Holzkohle" ertönte.

Auf der Gasse vor der Schmiede hielt eine kleine Maultierkara-wane. Die Tiere trugen große Säcke auf dem Rücken, durch die schwarzer Kohlenstaub rieselte. Die beiden Gnome, die die Tiere führten, waren schwarz und verdreckt.

"Was soll der Sack kosten?" rief ich zum Hoftor hinaus.

"Sechs Silbergroschen", antwortete ein Gnom.

"Na, dann zeigt mal her", sagte ich, "kommt herein".

Als die Maultiere alle in meinen Hof getrieben worden waren, schloß ich das Tor und schob den Riegel in die Halterungen. Rasdi fiel mir lachend um den Hals. Er sah unverschämt gut aus. Die Heilung war vollkommen. Rasdis älterer Bruder schüttelte mir minutenlang die Hand. Mit der Ladung habe er Blut und Wasser geschwitzt. Das Fell und die Zähne des Ras waren für insgesamt zwölftausend Goldkronen losgeschlagen worden. Ein Kaufmann aus dem Osten hatte alles übernommen und war sich sicher, seinerseits daraus einen guten Gewinn zu ziehen. Also betrage unser Anteil sechstausend.

Ich war nun der Meinung, daß man bei einem Transport von so viel Geld zwar höllisch aufpassen müsse, aber eine ganze Maultierkarawane sei doch kaum erforderlich gewesen. Da hatte ich den Punkt getroffen.

Auf den Maultieren war nämlich nicht Holzkohle verladen sondern die Ausrüstung für eine halbe Armee. Der Sandsturm, der am Geschändeten Brunnen begonnen hatte, war ein voller Erfolg gewesen. Die Soldaten des Herzogs waren schon in der ersten Nacht ohne Pferde. Lediglich der kleine Magier war davongekommen. Svenrho war in dem beginnenden Sandsturm wieder am Brunnen aufgetaucht und hatte um Gnade gefleht. Sie war ihm unter der Bedingung gewährt worden, daß er sich am Wiederaufbau des Brunnens beteilige.

Svenrho arbeitete hart, verzehrte doppelte Rationen und war heilfroh, daß er sein Gesicht in nächster Zeit weder im Reich noch im Herzogtum zu zeigen brauchte. Die Soldaten d'Assels waren allmählich immer tiefer in den Sand getrieben worden und hatten Stück für Stück ihre Ausrüstung fortgeworfen. Die nachfolgenden Gnome hatten sie größtenteils wieder aufgesammelt. Als die erfolglosen Menschenjäger nicht mehr der Illusion einer Oase nachliefen, sondern eine echte Wasserstelle fanden, trugen sie nur noch ihre zerfetzten Kleider am Leib.

Ähnlich war es einem größeren und einem weiteren kleinen Trupp ergangen, die aus Westen in das Land des Fürsten eingefallen waren.

Die Gnome hatten insgesamt zweiundsiebzig Pferde erbeutet und einen Haufen von Waffen und Ausrüstung. Die Pferde waren schnell umgebrannt und auf die verschiedenen Herden der Sippen verteilt worden. Das was an Ausrüstung unbrauchbar oder zu auffällig war, war verbrannt worden. Ein Teil der Bewaffnung war in die Schmelzöfen der Gnome gewandert. Einiges sei aber einfach zu gut gewesen, um eingeschmolzen oder verbrannt zu werden.

Der Fürst wollte andererseits keine Spuren von d'Assels Leuten in seinem Gebiet zurückgelassen wissen. Er hatte an mich gedacht. Also bot er mir über Rasdis Bruder den Rest zu einem Freundschaftspreis von eintausend Kronen in Gold zum Kauf an. Rasdis Bruder begann seine Aufzählung mit acht Plattenpanzern, sechs Kettenhemden und einer gemischten Position von Schwertern. Der lange Sack auf dem braunen Maultier dort enthalte Bögen und Pfeile.

Ich winkte ab. Von den sechs Beuteln gab ich einen zurück. Nur bei wenigen Geschäftspartnern empfiehlt es sich, einen Handel unbesehen abzuschließen. Aber ich wußte, dies war ein Ausnahmefall.

Dann luden wir mit vereinten Anstrengungen die Säcke ab und stellten sie in eine dunkle Ecke der Schmiede, wo schon andere Holzkohle lagerte.

Wir tränkten und fütterten die Maultiere. Als mein Stallknecht kam, wuschen sich Rasdi und sein Bruder gerade den größten Schmutz unter der Pumpe ab.

Wir gingen durch die Nebentür in den Gastraum. Meine gute Frau war über den Besuch begeistert. Sie holte zwei Flaschen eines besonderen Weins aus einem Versteck und kümmerte sich kaum noch um die anderen Gäste.

Bei der dritten Frage nach seiner Gesundheit sagte Rasdi, von der Geschichte sei wirklich nichts weiter zurückgeblieben, als ein wahrhaft königlicher Hunger, der ihn gerade jetzt wieder heftig überfalle. So mußte er sich durch jedes einzelne Gericht hindurchessen, das die Küche heute abend zu bieten hatte. Es gelang ihm sehr gut. Nach dem Hammel in verschiedenen Gemüsen lockerte er lediglich seinen Gürtel einmal und nach der zweiten Portion Kirschkompott und zweites mal.

Ich finde das ungerecht. Diese kleinen dünnen Leute können essen, so viel sie wollen, und nehmen nicht zu. Bei mir ist das anders. In der letzten Woche wollte meine Frau mir verbieten, die Tagessuppe abzuschmecken, und meine Stute hatte mich vorwurfsvoll angesehen, als wir gestern ausgeritten waren.

Als die letzten Gäste gegangen waren, setzte auch ich mich mit einem kleinen Glas Bier an den Tisch und ließ mir alles noch einmal genau erzählen.

Auf den Fürsten fiel kein Verdacht. Alle Karawanenleute berich-teten, in diesem Frühjahr seien die Sandstürme besonders schlimm gewesen und viele Brunnen hätten kein Wasser geführt. Das käme von den schlimmen Zeiten.

Von unserem Teil der Geschichte hatten die Gnome bereits einiges vernommen. Martina und Raffaela standen offenbar in Korres-pondenz. Aber auch ich mußte die Einzelheiten berichten, die bei Rasdi und seinem Bruder sehr befriedigende Heiterkeitsausbrüche auslösten.

Die beiden fanden es erstaunlich, daß man eine vollständige Oberstenuniform beim Pfandleiher erstehen konnte und hielten die Paradenummer auch für Staatsstreiche geeignet.

So saßen wir bis in die späte Nacht zusammen. Rasdi und sein Bruder ritten erst am nächsten Mittag wieder heimwärts, versehen mit Grüßen an alle und mit einem Vorratspaket, das fast eine ganze Maultierlast ausmachte.

Ich sichtete meinen Einkauf. Die Ware war insgesamt überdurch- schnittlich gut und würde ihren Preis doppelt wieder hereinbringen. Schon in der Nacht hatte ich mir einiges überlegt. Wie mußte ein Mann aussehen, dem ein anderer vernünftiger Mensch mit seiner Familie in den Süden folgen würde, um dort neues Land zu besiedeln. Wenn sich Trent d'Arby mit Wolfsfellweste und Zweihänder auf den Markt stellen sollte, würden ihm nur junge Trottel nachlaufen.

Also mußte ich ihn abrüsten und gleichzeitig wieder so her- richten, daß er nicht nur so stark sondern auch so verläßlich aussah wie ein Fels.

Ich legte ein langes rostbraun-gefärbtes Kettenhemd zur Seite, das meiner Erinnerung nach die Größe des Barbaren hatte. Dann prüfte ich die Plattenpanzer. Ich bin kein Freund einer vollen Rüstung. Ein gepanzerter Reiter kann bei geeignetem Gelände manchmal allein dadurch besiegt werden, daß man lange genug vor ihm wegläuft. Zwei der Panzer hatten die geeignete Größe. Der eine war schwarz lackiert mit goldenen Rändern. Der andere blankgeputzt wie Silber. Ich prüfte mit einem Hammer das Metall. Der blanke Panzer war besser. Aber dieser strahlende Glanz war für ein Unternehmen wie unseres ungeeignet.

Ein Junikäfer brummte vorbei und setzte sich auf einen Balken. Er hatte die richtige Farbe. Ich löste aus der Rüstung die Brustplatte mit Kragen, die Schulterplatten, für den rechten Arm die Unterarmplatte und die Handrückenplatte und den ganzen linken Arm.

Dann mischte ich einen dunkelbraunen Firnis an. Während der Firnis über dem Feuer langsam warm wurde, brachte die anderen Panzer und Kettenhemden in einem Holzstapel unter. Vor der getarnten Tür steht ein großer Blumenkübel, ein richtiger Blickfang. Diesen Einfall hatte ich von einem Schnapsbrenner, der vor seinem kleinen Kesselhaus einen solchen Kübel stehen gehabt hatte. Jeder Zöllner hatte die schönen Blumen bewundert und hatte keinen Blick für die schlichte morsche Holztür dahinter gehabt.

Als die Sachen untergebracht waren, sichtete ich weiter. Ich legte zwei gute aus Horn und Holz verleimte Langbögen und zwei Bündel sehr guter Pfeile beiseite. Das beste hatte ich mir für den Schluß aufgespart.

Schwerter sind für einen Schmied immer von besonderer Faszina-tion. Ich legte sie alle nebeneinander vor mich und sah jedes einzelne Stück lange an. Nun gut, da war einiger guter Durch-schnitt dabei, nichts überwältigendes, aber ein Schwert hielt meinen Blick fest.

Es war ein Anderthalbhänder mit silbernem Griff. Die Klinge war nicht ganz zwei Ellen lang und sah kräftig aus, aber ich wußte, sie konnte nicht zu schwer sein. Denn auf der Terzseite war eine breite Rinne eingeschliffen, auf der Quartseite zwei schmale Rinnen.

Ich schnitt ein Stück Bindfaden ab und hängte einen Holzscheit daran. Ich nahm das Schwert in die Hand, stellte mich breitbeinig vor den hängenden Holzscheit und machte einen schnellen Schlag. Das Schwert schnitt durch das Holz wie durch Butter, der Faden zuckte kaum.

Ich besah mir jetzt den Schnitt und war etwas enttäuscht. Der Schnitt war nicht ganz gerade, sondern leicht nach unten gekrümmt. Vielleicht hatte ich nicht richtig gestanden. Ich konzentrierte mich etwas mehr und schlug wieder zu. Auch diesmal war der Schnitt nicht eben. Irgendetwas stimmte nicht. Ich setzte mich auf den Rand der Tränke und legte das Schwert mit der Spitze zu mir hin auf den Boden. Ich sah lange auf die Klinge, konnte aber nichts entdecken. Die Linien waren vollkommen.

Ich nahm das Schwert wieder auf und legte den Griff vor meine Füße. Auch diesmal konnte ich keinen Fehler der Form erkennen. Doch der Griff wirkte jetzt trotz des Edelmetalls etwas zu leicht.

Entschlossen nahm ich einen Hammer und einen Treiber und schlug die beiden Splinte aus dem Griff. Dann streifte ich mit einem weiteren Hammerschlag den Griff ab. Auch an der Angel konnte ich nichts Auffälliges entdecken. Ich wickelte einen Lappen um die Angel und schlug erneut zu.

Der Schnitt war diesmal vollkommen glatt. Der Faden hatte sich nicht im geringsten bewegt. Ich wurde aufgeregt. Ich holte einen Blechstreifen aus dem Abfall der Schmiede und hängte ihn auf. Die Klinge fuhr durch das Blech wie durch das Holz und der Faden zuckte nicht.

Sieh da, sieh da. Vielleicht hatte es ein furchtsamer Mensch für nötig gehalten, die Klinge mit einem Silbergriff zu bändigen. Ich wollte es sofort genau wissen.

Ich wühlte einen daumendicken Stahlstab aus dem Abfallhaufen und band ihn an den Faden. Es gab nur ein Geräusch. Es war der dumpfe Ton des halben Stabes, als er auf die Erde schlug. Und dafür hatte ich eintausend Goldkronen gezahlt! Ich lief mit der Klinge in der Hand durch den Gastraum in die Küche und hielt sie meiner Frau hin. Sie legte das Wiegemesser beiseite, faßte die Klinge an der Angel und hielt die Spitze gegen die Sonne. Sie sah an den Schneiden entlang.

"Ein gutes Schwert", sagte sie. "Für mich vielleicht eine Kleinigkeit zu schwer. Welche Eigenschaften hat es? Ich schätze, es schneidet Stein und Stahl. Hast Du es schon an einer Woll-decke ausprobiert?" Manchmal hat meine gute Frau den Hang, alles besser zu wissen als ich. Ich nahme die Klinge und ging wortlos wieder in die Schmiede. Frauen sollten wissen, wo ihre Grenzen sind. Als ich sicher war, daß mich niemand durch das Küchenfenster beobachtete, legte ich locker einen alten Sack auf die Klinge. Er fiel in zwei Stücke geteilt herunter. Selbstverständlich hatte ich schon daran gedacht, und zwar bevor ich in die Küche ging.

Ich montierte das Schwert mit einer leichtgebogenen zweifachen Parierstange mit Bügel und mit einem dunklen Horngriff.

Auf das Ende kam ein geriffelter Eisenknopf. Dann steckte ich das Schwert in seine alte Lederscheide zurück.

Die Ausrüstung des Barbaren war um vieles besser geworden, als ich zuerst gedacht hatte. Ich strich die beiseite gelegten Rüstungsteile mit dem Firnis ein und legte sie zum Trocken. Diesen Anstrich wiederholte ich jeden zweiten Tag. Nach zwei Wochen nahm ich Öl und Kreide und rieb die Platten ab. Sie glänzten jetzt matt wie der Panzer des Junikäfers.

Meine eigene Ausrüstung war schnell zusammengestellt. Das alte Kettenhemd, das kurze Schwert, der alte Bogen und mein Hämmerchen genügten.

Als zweites Pferd wählte ich einen kräftigen Wallach aus meinem Stall aus und schon war ich fertig. Der Neffe meiner Frau kam und stellte sich unter Berücksichtigung seiner geistigen Fähigkeiten ganz geschickt an.

Mit vielen Segenswünschen und dem ausdrücklichen Befehl, ja sparsam zu sein, ritt ich los.


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